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14.06.13 dradio.de
EU und USA wollen über Freihandel mit Lebensmitteln verhandeln/ Von Mirjam Stöckel

Die Europäische Union muss entscheiden, wie frei und einfach in Zukunft Handel, Auslandsinvestitionen und die Gewährung von Patentrechten mit den USA ablaufen soll. Bei dem Freihandelsabkommen geht es auch darum, was künftig auf unseren Tellern landet.

Gentechnisch veränderter Mais, Fleisch, für das Tiere geklont oder mit Hormonen gemästet wurden - und Geflügel, das mit Chlor desinfiziert wird: All das ist für Konsumenten in Amerika ganz normal. In Deutschland - das zeigen auch offizielle Studien - sieht das anders aus.

"Es widert mich an, ekelt mich an. Ist mir alles zu künstlich."

"Ich bin ja oft in den USA gewesen und viel. Ich habe drüben aus Prinzip kein Rindfleisch gegessen."

"Es geht da ja nur um das Billigfleisch, um die schnellen Masterfolge. Das brauchen wir hier nicht bei uns."

"Ich bin da also sehr, sehr skeptisch und auch sehr dagegen. Ich wollte das auf keinen Fall essen. Weil die Gentechnik noch gar nicht richtig erforscht ist. Man kennt die Auswirkungen noch nicht."

"Da steckt nur Monsanto und Genossen dahinter - eine Riesen-Geldmacherei."

Tatsächlich versprechen sich US-Agrarkonzerne ein Milliardengeschäft, wenn die EU ihre Produkte leichter auf den europäischen Markt ließe. Die große Frage im Zusammenhang mit dem Freihandelsabkommen ist nun: Welche der umstrittenen US-Lebensmittel werden irgendwann tatsächlich in Europas Supermärkten landen? Am besten gar keine - sagt etwa der EU-Abgeordnete Martin Häusling, Landwirtschaftsexperte von den Grünen: "Die Hauptkonfliktstoffe in den Gesprächen wird der Agrarhandel sein. Es geht hier um zwei unterschiedliche Modelle in der Agrarpolitik und es gibt zwei unterschiedliche Betrachtungen von vorsorgendem Verbraucherschutz. Ich glaube, Europa wäre besser beraten, wenn dieser sensible Bereich erst mal aus den Verhandlungen rausgenommen würde."

Nur: Das dürften die Amerikaner nicht mitmachen. Für sie ist der Freihandel gerade mit landwirtschaftlichen Produkten nämlich besonders wichtig - und es ist fraglich, ob sie einem abgespeckten Abkommen ohne Agrargüter jemals zustimmen würden.

Ein Freihandelsabkommen abzuschließen und den Landwirtschaftsbereich dabei außen vor zu lassen - das hält auch Daniel Caspary, Europaabgeordneter und Handelsexperte von der CDU, für keine gute Idee. Die Freihandelsgespräche seien weniger ein Risiko für die Europäer, sagt er, sondern vielmehr eine große Chance - denn:

"Ich sehe im Rahmen solcher Verhandlungen eine Chance dafür, dass wir unsere Vorstellungen besser durchsetzen können, als wenn die Verhandlungen nicht stattfinden. Am Beispiel Chlorhühnchen: Wir haben als EU den Import von Chlorhühnchen verboten. Die Vereinigten Staaten sind hier vor der Welthandelsorganisation WTO, haben ein Schiedsgerichtverfahren angestrengt und ich würde mich sehr wundern, wenn die Vereinigten Staaten hier nicht Recht bekommen würden. Und das heißt, es ist immer besser, miteinander zu sprechen, eine sinnvolle Regelung im Konsens zu finden, als dass wir am Ende vor der WTO verurteilt werden und dann diese Chlorhühnchen reinlassen müssen."

EU-Handelskommissar Karel De Gucht wird die Freihandelsgespräche stellvertretend für die gesamte Europäische Union führen. Er gilt - schon von Amts wegen - als Verfechter liberaler Märkte. Doch er weiß: Letztlich müssen auch die EU-Parlamentarier ein Abkommen mit den Amerikanern absegnen - sonst kann es nicht in Kraft treten. Und zu viele Zugeständnisse in puncto Lebensmittel an die USA könnten das Veto der Abgeordneten provozieren. Daher betont De Gucht: Ein internationales Abkommen könne geltende EU-Vorschriften zu Gen-Mais, Chlorhühnchen, Klon-Schnitzel und Hormonsteaks nicht einfach außer Kraft setzen. Das sei rechtlich unmöglich.

"Wenn wir uns auf etwas einigen, muss es entweder den EU-Gesetzen entsprechen - oder wir müssen die Gesetze ändern. Man kann natürlich ein Abkommen schließen und als Folge daraus, noch vor dessen Ratifizierung, dann geltende Vorschriften ändern. Aber das haben wir nicht vor. Wir werden die EU-Gesetze so einhalten, wie sie bestehen."

Eigentlich sollen die Freihandelsgespräche in zwei Jahren abgeschlossen sein. Doch bleibt der EU-Kommissar tatsächlich bei seiner Haltung, werden die Verhandlungen hart. Und es könnte es durchaus länger dauern, bis klar ist, welche Nahrungsmittel made in USA auf unseren Tellern landen - und welche nicht.


 
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Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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