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6. Mai 2013 Süddeutsche Zeitung von Silvia Liebrich
 "Schlaue Regeln für sichere Nahrung", nennt EU-Kommissar Tonio Borg die neue Saatgutverordnung. Dabei dürfte sie vor allem Großkonzernen wie Monsanto helfen und die Artenvielfalt einschränken. Auch für Hobbygärtner bedeutet Borgs Vorschlag nichts Gutes.

Ein Meisterstück ist das nicht, was EU-Verbraucherkommissar Tonio Borg da am Montag vorgelegt hat. Seit Monaten wird über die Saatgut-Verordnung gestritten. Nun liegt der  Entwurf  auf dem Tisch - und er bestätigt die Befürchtung vieler Kritiker. Entgegen dem Versprechen der EU-Kommission, die Artenvielfalt auf den Äckern und in den Gärten zu fördern, geschieht nun das Gegenteil.

Zwar wird der Anbau in Privatgärten nicht direkt einschränken, wie von Hobbygärtnern befürchtet, dafür aber auf dem Umweg über den Handel. Zudem werden die Hürden für die Zulassung von kommerziell genutzten Pflanzensorten so hoch gesetzt, dass sie eigentlich nur noch von Großkonzernen wie Monsanto, Syngenta, Bayer Cropscience oder der deutschen KWS genommen werden können.

So kann etwa das Zulassungsverfahren für eine einzige Weizen- oder Tomatensorte den Züchter künftig bis zu 12.000 Euro kosten. Viele kleinere Saatguthersteller können sich das nicht leisten. "Sie werden mit Hilfe der EU-Verordnung schlicht aus dem Markt gedrängt. Damit fördert die Kommission eine Monopolisierung des Saatgutmarktes", sagt Martin Häusling, Agrarexperte der Grünen im EU-Parlament.
"Schlaue Regeln für sichere Nahrung"

EU-Kommissar Borg weist die Kritik zurück. Die nun vorgelegten Saatgutregeln bezeichnet er als "smart rules for safer food" - schlaue  Regeln für sichere Nahrung. Ziel sei es unter anderem, Pflanzensorten auf dem Markt zuzulassen, die besonders resistent gegen Krankheiten und Schädlinge seien. Tatsächlich dürften die neuen Regeln aber vor allem der Agroindustrie helfen. Schon jetzt kontrollieren Monsanto und Co. mehr als die Hälfte des europäischen Saatgutmarktes, der laut EU-Kommissar Borg ein Volumen von 205 Milliarden Euro pro Jahr hat.

Der Marktanteil kleiner Hersteller schrumpft dagegen seit Jahren. Viele geben einfach auf oder werden von den Großen aufgekauft. Zwar soll es für die kleinen nun eine Ausnahmeregelung geben. Allerdings dürften sie ihre Pflanzensorten dann nicht mehr im kommerziellen Bereich, also in der Landwirtschaft oder im Gemüseanbau verkaufen, sondern zum Beispiel nur noch an Hobbygärtner, sagt Häusling.

Als kleine Betriebe gelten laut EU-Verordnung Firmen mit maximal zehn Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von zwei Millionen Euro. "Das ist eine völlig willkürlich angesetzte Größe, für die es keine plausible Rechtfertigung gibt", moniert Häusling.

Für Landwirte und Gemüsebauern bedeuten die neue EU-Regeln, dass Saatgut unter dem Strich teurer wird. Denn die Hersteller werden die hohen Zulassungskosten weiterreichen. Bei Massenware wie Weizen fallen die zwar nur geringfügig ins Gewicht, bei Gemüsepflanzen, die nicht großflächig angebaut werden, dafür umso stärker. Zahlen werden die Zeche am Ende die Verbraucher, die auf dem Markt oder im Supermarkt mehr Geld, etwa für frisches Gemüse, ausgeben müssen.

Auch für  Hobbygärtner bedeutet Borgs Vorschlag nichts Gutes. Zwar ist von einem  Anbauverbot nicht zugelassener Pflanzensorten in Privatgärten nicht mehr die Rede. Doch für sie dürfte es in Zukunft schwieriger werden, an alte und rare Pflanzensorten heranzukommen. Die meisten Kleingärtner kaufen ihr Saatgut in Gartenmärkten oder im Fachhandel. Aber auch der darf nur Samen für den privaten Gebrauch verkaufen, die ein teures Zulassungsverfahren hinter sich haben.

Die Vorlage von Borg bedeutet deshalb auch eine Einschränkung der Artenvielfalt und höhere Kosten für Hobbygärtner über den Handel, der ebenfalls von den großen Herstellern dominiert wird. Und die bringen seit Jahren immer mehr Hybrid-Sorten auf den Markt, die sich nicht weitervermehren lassen. Für Kleingärtner bedeutet das, sie müssen jedes Jahr neue Samen kaufen - auch das kurbelt den Umsatz der Agrarkonzerne an.
"Das Saatgutrecht in Europa ist und bleibt eine Erfolgsgeschichte"

Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) ist ebenfalls nicht zufrieden mit Borgs Vorschlägen. Sie lobt zwar, dass das Anbauverbot für Kleingärtner vom Tisch ist. Doch sie sieht den Bestand alter Sorten durch die Vorlage gefährdet.

"Aus deutscher Sicht ist es besonders wichtig, den bereits in den EU-Mitgliedstaaten eingeführten vereinfachten Marktzugang für Saat- und Vermehrungsgut alter landwirtschaftlicher Sorten wie auch von Obst und Gemüse weiter zu entbürokratisieren", sagt Aigner. "Wir müssen alte Sorten erhalten und die biologische Vielfalt schützen." Dafür wolle sie sich in den Verhandlungen mit den anderen Mitgliedstaaten und dem EU-Parlament einsetzen.

Der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter, der von großen Agrokonzernen dominiert wird, begrüßt Borgs Vorschlag. "Das Saatgutrecht in Europa ist und bleibt eine Erfolgsgeschichte", kommentiert Dr. Carl-Stephan Schäfer, Geschäftsführer des BDP, den Kommissionsvorschlag. Schäfer stellte klar, dass im Grundsatz wie bisher nur staatlich geprüfte Sorten und staatlich geprüftes Saatgut verkauft werden dürfe. Er sieht darin einen wichtigen Beitrag für den Verbraucherschutz.

"Würde es das Saatgutrecht nicht geben, müsste es gerade heutzutage erfunden werden", sagt er weiter. Saatgutregeln gibt es in der EU schon seit den 1960er Jahren. Ziel der jetzigen Reform ist es laut EU-Kommissar Borg, den Markt weiter zu harmonisieren. Für Häusling von den Grünen ist dieser Ansatz schwer nachvollziehbar. "Wenn ein Bauer in Rumänien mit dem gleichen Weizensaatgut arbeiten soll, wie sein Kollege Finnland, ist das nicht unbedingt sinnvoll. Allein die klimatischen Bedingungen sind völlig unterschiedlich."

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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