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Neonicotinoide-Verbot: Druck auf EU-Kommission wächst

Autor: Sarantis Michalopoulos    Stand: 21. März 2018

 

EU-Parlamentarier haben die Europäische Kommission aufgerufen, die Mitgliedstaaten davon zu überzeugen, einen Vorschlag zum Verbot von Neonikotinoiden zu unterstützen und weitere Verzögerungen zu vermeiden, die schädlich für Bienen und die Umwelt wären.

Die Abgeordneten der wichtigsten Fraktionen des Europäischen Parlaments haben gestern ein gemeinsames Schreiben an Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis unterzeichnet.

In ihrem Schreiben fordern die EU-Parlamentarier die Kommission auf, bei der nächsten Sitzung des Ständigen Ausschusses für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel (SCOPAFF) am 22. März eine weitere Verzögerung des geplanten Verbots von Neonicotinoide zu vermeiden, da dies schädlich für Bienen und die Umwelt sei.

„Verzögerungen bei der Entscheidung werden dazu führen, dass Bienen und andere Bestäuber ständig Toxinen ausgesetzt sind, die für sie tödlich sind. Das wird schwerwiegenden Folgen für die Nahrungsmittelproduktion, insbesondere für Honig, haben,“ warnen die Abgeordneten.

Die EU-Gesetzgeber fordern die Kommission außerdem auf, „ihr Möglichstes“ zu tun, um die erforderliche qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten für ein Neonicotinoide-Verbot zu gewinnen.

Die Kommission hatte im vergangenen Dezember versucht, eine Abstimmung über das Verbot abzuhalten; die nationalen Regierungen erklärten allerdings, sie müssten zuerst den entsprechenden Bericht der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) einsehen.

Sechs Mitgliedstaaten lehnen ein Verbot von Neonicotinoiden ab, darunter Rumänien und Ungarn, während sich Frankreich, das Vereinigte Königreich, Irland, Kroatien, Slowenien, Luxemburg und Malta für ein Verbot aussprechen.

Am 28. Februar hatte die EFSA einen Bericht veröffentlicht, der bestätigt, dass die häufigsten Anwendungsarten von Neonicotinoid-Pestiziden ein Risiko für Wild- und Honigbienen darstellen. Die am meisten genutzten Pestizide sind Clothianidin und Imidacloprid von Bayer sowie Thiamethoxam von Syngenta.

„Letzten Dezember wollten die Mitgliedstaaten den Bericht der EFSA abwarten. Jetzt, da der Bericht vorliegt, werden wir auf dem nächsten SCOPAFF-Treffen diskutieren,“ kündigten EU-Quellen gegenüber EURACTIV.com an.

Auf ihrer Website zu dem Thema erklärt auch die Kommission, die Schlussfolgerungen der EFSA sowie die aktuellen Kommissionsvorschläge zur weiteren Einschränkung würden mit den Nationalregierungen „gründlich diskutiert“ werden.

„Wir können die Mitgliedstaaten nicht zur Abstimmung zwingen, wenn sie zunächst diskutieren wollen […] Die Schlussfolgerungen der EFSA liefern aber einen wissenschaftlichen Beweis, der den Vorschlag der Kommission stärkt,“ betonten die EU-Quellen.

EURACTIV hat darüber hinaus erfahren, die Kommission werde ihrerseits auch „geringfügige und nicht dramatische Änderungen“ an ihrem Vorschlag in Erwägung ziehen und überprüfen.

Das nächste SCOPAFF-Treffen findet Ende Mai statt.

Die deutsche Bundesregierung hat derweil mitgeteilt, dass im Jahr 2013 rund 200 Tonnen Neonicotinoid-Pestizide verkauft wurden; in den Folgejahren waren es 207 Tonnen (2014) und 203 Tonnen (2015).

„Leider sind diese Zahlen nicht nach einzelnen Substanzen aufgesplittet, sondern stehen für Acetamiprid, Clothianidin, Imidacloprid, Thiacloprid und Thiamethoxam zusammen. Es scheint, dass inzwischen verbotene Substanzen durch andere ersetzt wurden, die bisher nicht eingeschränkt wurden,“ kommentierte Franziska Achterberg, EU-Beraterin für Lebensmittelpolitik bei Greenpeace.

EURACTIV hat außerdem erfahren, dass die deutsche Regierung bei dem Thema intern gespalten ist und bisher keine gemeinsame Position erreicht hat. So seien sich die Landwirtschafts- und Umweltministerien unter anderem nicht einig, weil das Landwirtschaftsministerium eine Art „Freistellung“ für Zuckerrüben befürwortet.

Dies würde die Behauptung der europäischen Bienenzüchter bestätigen, dass sich die Zuckerrübenindustrie in den Mitgliedstaaten intensiv dafür einsetzt, ein Verbot von Neonicotinoiden hinauszuzögern.

Graeme Taylor, Direktor für öffentliche Angelegenheiten der European Crop Protection Association (ECPA), kommentierte den Brief der Abgeordneten wie folgt: „Es sei darauf hingewiesen, dass das Europäische Parlament vor einigen Wochen im Plenum gegen einen Änderungsantrag gestimmt hat, der den Verkauf und die Produktion von Neonicotinoiden verbietet.“

Tatsächlich haben sieben Abgeordnete des Europäischen Parlaments, die das Schreiben an die Kommission unterzeichneten, gegen das Neonicotinoid-Verbot im Imkereibericht gestimmt: Guillaume Balas, Maria Grapini, Theresa Griffin, Virginie Rozière, Kathleen Van Brempt von der sozialdemokratischen S&D-Fraktion, Ivica Tolić von der konservativen EVP und Nedzhmi Ali von der liberalen ALDE.


Positionen

Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Fraktion Die Grünen/EFA im Europaparlament und Mitglied im EU-Umweltausschuss:

„Deutschland, und damit die neue Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner muss sich für eine Abstimmung am 22.3. einsetzen. Es wurde genug geredet - jetzt muss gehandelt werden! Das Verbot dieser Neonikotinoide darf nicht weiter verzögert werden!

Nachdem die europäische Lebensmittelbehörde Efsa kürzlich die Gefährlichkeit der drei Mittel aus der Stoffklasse der Neonikotinoide für die Insektenwelt bestätigt hat, duldet die Entscheidung über ein komplettes Anwendungsverbot keinen Aufschub mehr. Das Roulette für die Artenvielfalt  muss gestoppt werden, und zwar jetzt rechtzeitig vor der Aussaat. Wild- wie Honigbienen sowie die vielen anderen von den Giften betroffenen Insekten, und in der Folge die von ihnen abhängigen Vögel, müssen besser geschützt werden. Wir wollen keinen stummen Frühling.

Denn obwohl es Teilverbote für die drei Produkte gibt, sinkt die Menge der ausgebrachten Neonikotinoide in Europa nicht. Immer noch werden teils mit Ausnahmegenehmigungen Saaten rein prophylaktisch, das heißt ohne konkreten Anlass mit den systemischen, später über die ganze Pflanze wirkenden Giften ummantelt. Das muss aufhören.

Diese Beize, die auch in Deutschland noch bei Zuckerrüben, in anderen EU-Ländern aber auch bei Raps und Mais praktiziert wird, muss unverzüglich beendet werden. Deshalb muss sich der Ständige Ausschuss am Donnerstag klar für ein Ende der Ära der Neonikotinoide positionieren.

Das Verbot der drei Substanzen freilich ist erst der Anfang, denn zum Teil werden die limitierten Mittel durch andere Mittel aus der Gruppe der Neonikotinoide ersetzt. Auch diese Praxis muss in der Folge beendet werden. Ein Totalverbot für die gesamte Stoffklasse, die in ihrer Wirkung an den DDT-Skandal erinnert, ist unabdingbar.“

https://www.euractiv.de/section/landwirtschaft-und-ernahrung/news/neonicotinoide-verbot-druck-auf-eu-kommission-waechst/

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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