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ZahnvorsorgePlus - Interview mit Martin Häusling

Wer auf Beweise für die Risiken von Amalgam wartet, nimmt schwere Folgen in Kauf

Den schrittweisen Ausstieg aus der Amalgam-Behandlung betrachtet Martin Häusling, Grünen-Politiker im Europaparlament, nur als Kompromiss. Stattdessen fordert er ein Komplettverbot. Erst darauf zu warten, bis eindeutige Nachweise für schwerwiegende Folgen vorliegen, hält Häusling für gefährlich. Damit der Ausstieg funktioniert, muss sich jedoch im Gesundheitswesen einiges ändern.


- Herr Häusling, Amalgam erfreute sich als Material für Zahnfüllungen lange Zeit großer Beliebtheit. Inzwischen ist der Einsatz jedoch umstritten. Welche Gefahren sehen Sie bei der Verwendung von Amalgam für Patienten?    

Martin Häusling: Amalgam enthält Quecksilber und Quecksilber ist giftig. Dies ist unstrittig. Ebenfalls unstrittig ist, dass das Quecksilber aus den Füllungen austritt und vom Körper aufgenommen wird. Die Mengen mögen gering sein, aber immerhin handelt es sich um eine kontinuierliche Belastung. Zusätzlich nehmen wir Quecksilber aus der Umwelt beziehungsweise der Nahrung zum Beispiel bei Fisch auf. Zu beachten ist auch, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen wie Kinder und Schwangere empfindlicher gegenüber diesem Stoff sind. Außerdem dürfen wir die Menschen in den Zahnarztpraxen nicht vergessen, die das Amalgam verarbeiten müssen.

Amalgam ist so beliebt, weil es einfach zu verarbeiten ist und lange hält. Ich denke aber, wir sollten dem Vorsorgeprinzip folgen und auf Alternativen ausweichen. Dabei muss jedoch sichergestellt werden, dass die meist aus Kunststoff bestehenden Ersatzprodukte nicht selbst gesundheitsschädigende Eigenschaften haben.

 

- Trotz unzähliger Studien kann nach Ansicht der Befürworter noch immer nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden, ob Amalgam schwerwiegende gesundheitliche Probleme verursacht. Ist dies der Grund, warum der Werkstoff weiterhin fester Bestandteil bei der Zahnbehandlung ist?   

Martin Häusling: Wie erwähnt, bin ich ein Anhänger des Vorsorge- sowie des Substitutionsprinzips. Ich denke bei allen Stoffen, die wir in die Umwelt freisetzen und die wir als Menschen aufnehmen, sollten wir gefährliche Stoffe durch ungefährliche austauschen. Quecksilber ist hochgiftig, also sollte man es so weit wie möglich ersetzen.

Wer einen zweifelsfreien Nachweis schwerwiegender gesundheitlicher Probleme fordert, bevor gehandelt wird, nimmt die Gefahren für die Gesundheit billigend in Kauf. Wir haben die Verantwortung, die Gesundheit von Mensch und Umwelt zu schützen, insbesondere wenn der Verdacht gesundheitlicher Schäden schwerwiegend und wahrscheinlich ist.


- Welche Folgen hat die Verwendung von Amalgam aus umweltpolitischer Sicht?    

Martin Häusling: Zunächst ist Amalgam ein gesundheitspolitisches Thema. Schließlich handelt es sich um einen Stoff, der direkt in unsere Körper gelangt. Natürlich ergeben sich durch die Verwendung auch Probleme für unsere Umwelt, insbesondere wenn Zahnärzte noch immer keine Quecksilberabscheider installiert haben. Diese sollen dafür sorgen, dass die Quecksilberrückstände nicht in das Abwassersystem eingeleitet werden. Zudem entstehen durch Amalgam massive Quecksilberemissionen in Krematorien.

Der größte Teil des Quecksilbers gelangt jedoch über Kohlekraftwerke in unsere Atmosphäre. Aus der Umwelt kommt es wiederum in unsere Nahrungskette, vor allem über Meeresfrüchte.

 

- Das Europaparlament hat beschlossen, dass ab 1. Juli 2018 bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen kein Amalgam mehr verwendet werden darf. Wie beurteilen Sie den Beschluss und warum gilt er nicht für alle Patienten?    

Martin Häusling: Im Ausschuss für Umwelt, Öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit des Europaparlaments haben wir ein Auslaufen der Verwendung von Amalgam für alle Patienten bis 2022 gefordert. Allerdings haben sich die Mitgliedsstaaten in den Verhandlungen quergestellt. Die jetzige Entscheidung ist somit eine Kompromisslösung.

Der Schutz von Kindern und Jugendlichen ist aber schon einmal ein erheblicher Fortschritt. Je früher Menschen eine Amalgam-Füllung bekommen, desto länger sind sie dem Stoff ausgesetzt. Zum anderen sind sie besonders empfindlich gegenüber der schädlichen Wirkung von Quecksilber. Das Verbot gilt auch für schwangere und stillende Frauen. Aus meiner Sicht haben wir damit den Einstieg in den Amalgam-Ausstieg erreicht.


- Sehen Sie persönlich für die Verwendung von Amalgam noch eine Zukunft in der Zahnmedizin?    
 
Martin Häusling: Nicht auf längere Sicht. Amalgam sollte nicht mehr verwendet werden, außer es liegen Allergien gegen die Ersatzstoffe vor. Ich glaube, dass Patienten immer mehr zu den Alternativen übergehen werden und diese auch einfordern. Hier spielt natürlich die Übernahme der Kosten durch die Krankenkassen eine Rolle.

 
- Was müsste sich im Gesundheitswesen Ihrer Ansicht nach ändern, um den Einsatz von Amalgam langfristig zu stoppen?    

Martin Häusling: Hierbei spielen drei Punkte eine wichtige Rolle:
1.Es muss das Vorsorgeprinzip für medizinische Produkte gelten. Diese müssen erwiesenermaßen unschädlich sein.
2.Die Alternativen zu Amalgam sollten von den Krankenkassen übernommen werden.
3.Wir müssen weiterhin über die potentiellen Gefahren aufklären und uns für ein verbindliches Enddatum für Amalgam einsetzen.


Vielen Dank für das Interview, Herr Häusling.

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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