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Wiesbadener Tageblatt - Von Ulrike Würzberg

EUROPA Die hessischen EU-Parlamentarier schauen mit bangen Blicken nach Großbritannien und Österreich

BRÜSSEL - Die Flüchtlingskrise und das Abkommen mit der Türkei, einheitliche Standards im Bahnverkehr sowie die Kontrolle der Europäischen Investitionsbank sind in dieser Woche offiziell Themen, die sich das Europäische Parlament bei seiner zweitägigen Sitzung in Brüssel vorgenommen hat. Es gibt aber zwei Themen, die die Diskussionen zumindest auf den Fluren beherrschen: der Brexit, also der mögliche Austritt Großbritanniens aus der EU, und der Ausgang der Präsidentenwahl in Österreich. Beides könnte die Union durcheinanderbringen.

Martin Häusling, nordhessischer EU-Abgeordneter der Grünen, befasst sich eigentlich derzeit mit der neuen Öko-Verordnung, die von Parlament, Kommission und Rat vorbereitet wird und bis 2020 in Kraft treten soll. Noch sind viele Fragen ungeklärt, dicke Ordner in Häuslings Büro in Brüssel zeugen von Arbeit, die vor ihm liegt. „Aber im Moment wird hier nichts Gravierendes mehr beschlossen“, sagt er, „jedenfalls nichts, was irgendwie finanzielle Folgen hat.“ Alle warten auf den Ausgang des Referendums in Großbritannien. Mit Freude hat Häusling die Rede von US-Präsident Barack Obama gehört, der so stark die Bedeutung Europas betont hat. „Eine solche Rede hätte ich mir mal von einem Europäer gewünscht.“

Vielleicht sei so manche Diskussion mit den britischen Kollegen im EU-Parlament in diesen Tagen heilsam. Der Austritt aus der EU bedeute: keine Teilnahme am Binnenmarkt, keine Zuschüsse der EU mehr. „Auch britische Bauern bekommen die Hälfte ihres Einkommens aus EU-Fördertöpfen“, sagt Biobauer Häusling. Er ist verhalten optimistisch, dass der Brexit ausbleibt – zumal keiner wisse, wie man so eine Mitgliedschaft rückabwickeln kann. „Vielleicht geht es ja so aus wie das Schottland-Referendum.“ Bei diesem hatte sich eine knappe Mehrheit für den Verbleib in Großbritannien ausgesprochen.

Der Austritt wäre schlecht für Großbritannien und für die EU – davon ist der Christdemokrat Michael Gahler überzeugt. Der Außenpolitiker im EU-Parlament, der aus Hattersheim im Main-Taunus-Kreis kommt, kritisiert den britischen Premier David Cameron, der eine schwache Figur abgebe und in der Brexit-Frage weder sein Kabinett noch seine Partei im Griff habe. Sieht Gahler die EU insgesamt in Gefahr? „Soweit würde ich nicht gehen.“

Schwer beunruhigt

Neben dem drohenden Brexit treibt ihn die politische Lage im Nachbarland Österreich um. Der Erfolg des FPÖ-Populisten Norbert Hofer im ersten Wahlgang der Bundespräsidentenwahl beunruhige ihn sehr. Gewinne Hofer auch den zweiten Wahlgang gegen Alexander van der Bellen, „wird er der Regierung als direkt gewählter Präsident große Probleme machen“.

Gahler spricht vom „Austro-Faschismus“: „Die FPÖ war schon immer das Sammelbecken für Altnazis.“ Mit Schrecken denkt Gahler an einen möglichen Auftritt Hofers auf dem Heldenplatz in Wien und fürchtet gleichzeitig weiteren Aufwind für die AfD in Deutschland.

„Die FPÖ ist rechtsextrem und sitzt hier im EU-Parlament in der Fraktion zusammen mit dem Front National“, sagt Gahlers Kollege Martin Häusling. Ihn beunruhigt der Wahlausgang in Österreich ebenso. „Auch die Kollegen aus Österreich sind schockiert.“ Dem unabhängigen Grünen van der Bellen, der das zweitbeste Ergebnis erzielt hatte und der nun mit Hofer am 22. Mai in die Stichwahl geht, traut er kaum einen Wahlsieg zu. Denn ÖVP und SPÖ, die Christ- und die Sozialdemokraten Österreichs, hätten sich trotz ihres eigenen Wahldebakels nicht durchringen können, den Unabhängigen in der Stichwahl offiziell zu unterstützen.

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

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