Grüne Europagruppe Grüne EFA

Kölner Stadtanzeiger -  Von Stefan Sauer   

Berlin - Die europäische Landwirtschaft ist eine ziemlich kostspielige Veranstaltung. Insgesamt 312,7 Milliarden Euro gibt Brüssel in der Förderperiode 2014 bis 2020 für die „Gemeinsamte  Agrarpolitik", kur GAP,  aus. Die Subventionen verschlingen 40 Prozent der gesamten Haushaltsmittel der Europäischen Union. Deutsche Landwirte erhalten jährlich rund 6,2 Milliarden Euro aus dem EU-Topf, davon 1,3 Milliarden Euro für das sogenannte „Greening“, mit dem  Umwelt- und Naturschutz dienende Aktivitäten gefördert werden . Wie kann es angesichts solch enormer Summen sein, dass viele der gut 280 000 landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland finanziell am Abgrund stehen?

Die Antwort ist überraschend simpel:  Ein großer Teil des Geldes kommt bei den Bauern  nicht an. „Die pauschalen Zahlungen von knapp 300 Euro pro Hektar erhalten die Landbesitzer, die in vielen Fällen gar nicht selbst Landwirtschaft betreiben, sondern ihr Land verpachten“, sagt Harald Grethe, Professor für Agrar- und Ernährungspolitik an der Universität Hohenheim. Haupteffekt dieser Förderpolitik seien steigende Bodenpreise und damit höhere Kosten für die  Pächter – also für die Bauern. „Wenn man weitgehend voraussetzungslos  pro Hektar 300 Euro erhält, ist es logisch, dass Investoren Land aufkaufen“, sagt Grethe.
Deutscher Staat größter Empfänger

Die Auswüchse dieser Förderpolitik sind zuweilen recht absonderlich, wie das Nachrichtenportal EurActiv aufzeigt. Danach war größter Empfänger der Brüsseler Zuwendungen  2014 der deutsche Staat: Den größten Happen, nämlich 22 Millionen Euro, heimste laut EurActiv der Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meerschutz Schleswig-Holstein ein, gefolgt vom Landesumweltamt Brandenburg und dem Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft in Magdeburg mit jeweils über 11 Millionen Euro. Nicht so hoch, aber noch weniger zielgenau erscheint die Zahlung von 10 000 Euro an den Rüstungskonzern Rheinmetall, der auf einem   Areal neben einem Schießübungsplatz auch Forstwirtschaft betreibt.  Auch der Energiekonzern RWE zählte zu den Nutznießern: Brüssel zahlte 424 000 Euro für die Begrünung ehemaliger Braunkohleabbaugebiete.

Doch nicht nur die Adressaten der Zahlungen lassen Kritiker des EU-Subventionswesens erschaudern. „Da werden zig Milliarden verteilt, ohne dass dies an Boden-, Wasser und Klimaschutzmaßnahmen gekoppelt wäre“, moniert Robert Habeck, grüner Umwelt- und Landwirtschaftsminister von Schleswig-Holstein.  Bisher werde das Geld „pauschal verrieselt,  anstatt es an wünschenswerte gesellschaftliche Ziele zu binden“, findet auch Grethe. Mit dem derzeit geltenden System finanziere der Steuerzahler über die EU die Rendite der Verpächter, kritisiert der grüne Europaabgeordnete  Martin Häusling, der selbst einen Biohof mit Milchvieh südlich von Kassel betreibt.  Die „Greening-Prämien“ für  Umweltschutzbelange hätten lediglich Feigenblattfunktion, findet Häusling:  „Die EU finanziert mit den Direktzahlungen eine Turbolandwirtschaft für die Massenproduktion und versucht gleichzeitig mit dem Greening,  die dabei entstehenden Schäden zu begrenzen.“ Daher sei das System der bedingungslosen Direktzahlungen grundlegend zu reformieren.
Neues Punktesystem

Wodurch es ersetzt werden könnte, hat der deutsche Verband für Landschaftspflege in einem  Modellprojekt erprobt, an dem  100 Bauernhöfen in Schleswig-Holstein teilnahmen. Dabei wurde ein Punktesystem entwickelt, mit dem Maßnahmen zum Erhalt der Artenvielfalt sowie zum Schutz von Umwelt, Böden und Gewässern gewichtet werden. Jeder Punkt entspricht einem Geldbetrag. Aus Sicht von Landesumweltminister Habeck hätte ein solcher Subventionsmechanismus gegenüber den pauschalen Greening-Prämien, die ebenfalls pro Hektar ausgezahlt werden, einen entscheidenden Vorteil: „Wer viel tut, bekommt mehr Punkte und damit mehr Geld.“  Und das wäre dann auch – endlich - sinnvoll angelegt.

Video

Podcast

Tagesgespräch mit Martin Häusling (Grüne): Artensterben mindestens so schlimm wie Klimawandel
aus der Sendung vom Fr., 27.10.2023 18:05 Uhr, SWR2 Aktuell, SWR2 , Jenny Beyen

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/martin-haeusling-gruene-artensterben-mindestens-so-schlimm-wie-klimawandel-100.html

 230305 Weltspiegel Getreide Spekulation


Weltweit: Die Zockerei mit Getreidepreisen | WDR für Das Erste

An der Hauptstraße nach Nouakchott sitzt sie und siebt Weizen aus dem Sand – jeden Tag. Was hier liegt, weht der Wind von den LKW. Fatimetou ist eine von vielen Frauen, die so ihren Unterhalt bestreiten. In einem Land, in dem Lebensmittelkosten den Großteil des Einkommens ausmachen, ist jedes Weizenkorn wertvoll. Auch Fatimetou merkt, dass alles plötzlich mehr kostet. Warum aber und wer dahinter steckt, das wisse sie nicht, sagt sie.

Mauretanien ist abhängig von Getreide aus dem Ausland. Wenn die Lieferungen ausbleiben, dann steigt der Preis. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Denn eigentlich wird weltweit genug Weizen produziert. Doch der Rohstoff ist zum Spekulationsobjekt geworden.
Getreide – ein Spekulationsgeschäft

Paris. Hier sitzt die wichtigste Handelsbörse für Weizen in Europa: Euronext. Neben der Rohstoffbörse in Chicago die weltweit größte und wichtigste. Ein Teil der Ernte wird hier gehandelt: Dabei sichern Getreidehändler ihre millionenschweren Weizen-Lieferungen mit Termingeschäften ab, sogenannten Futures.

Lange vor der Ernte verkaufen Landwirte ihre Ware und garantieren die Lieferung einer bestimmten Menge. Händler kaufen für einen fixen Preis und übernehmen so das Risiko einer schlechten Ernte. Steigt der Preis in der Zeit bis zum Fälligkeitstermin, profitiert der Investor. Sinkt er, erhalten die Landwirte dennoch den vereinbarten Preis – eine Art Versicherung. Und normalerweise ein Win-Win-Geschäft für alle Seiten. In Krisenzeiten aber setzen Investoren und Spekulanten auf stark steigende Kurse und treiben mit Milliardensummen den Preis in Rekordhöhen.

Zu diesem Ergebnis kommt die Investigativ-Journalistin Margot Gibbs. Mit einem internationalen Team hat sie Daten analysiert, um zu verstehen, warum sich der Weizenpreis bei Kriegsbeginn innerhalb weniger Wochen verdoppelte. Offenbar pumpten Investoren große Mengen Geld in den Markt. Aber wer? Die meisten Käufer blieben anonym. Lediglich für zwei börsengehandelte Fonds, sogenannte ETFs, konnte Gibbs‘ Team massive Investitionen nachweisen.

"Wir haben herausgefunden, dass die beiden größten Agrar-ETFs in den ersten vier Monaten 2022 für 1,2 Mrd. Dollar Weizen-Futures gekauft haben – verglichen mit 197 Millionen für das gesamte Jahr 2021. Das war sehr auffällig", erzählt die Investigativ-Journalistin. Dass innerhalb kürzester Zeit viel Geld in die Märkte fließt, ließ sich zuvor bereits bei der Finanzkrise und der Schuldenkrise beobachten. Das Problem: Danach sank der Preis nie wieder ganz auf Vor-Krisen-Niveau. Mit drastischen Folgen für die betroffenen Länder. Im Sommer 2022 verschärfte sich die Lage in Mauretanien dramatisch.
Eingriff zwingend notwendig

Mamadou Sall ist verantwortlich für die Lebensmittel-Beschaffung beim World Food Programme. Hunderttausende sind vom Hunger bedroht. Hier gibt es Probleme mit dem Nachschub. Aber nicht, weil der Weizen fehlt, sondern das Geld. Die Auswirkungen von Krieg und überhöhten Weltmarktpreisen – so sehen sie aus: "Die größte Herausforderung ist, dass wir mit den Spenden, die wir bekommen, immer weniger Hilfsgüter einkaufen können. Für das Geld, mit dem wir früher 100 Tonnen Weizen bezahlen konnten, bekommen wir bei den derzeitigen Preisen nur noch fünfzig Tonnen. Und die Auswirkungen für die Hilfsbedürftigen sind massiv."

Um genau solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern, gab es bereits nach der letzten Ernährungskrise 2011 Rufe nach staatlicher Regulierung. "Eine ganze Reihe von Leuten hat sich zu Wort gemeldet, einige sogar aus der Branche und sagten: Dieser Markt ist kaputt. Er folgt kaum noch den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage. Er ist eine reine Wettbude", sagt Margot Gibbs. Doch sämtliche Regulierungsversuche verliefen weitgehend im Sande.

Im Haushaltsausschuss des EU-Parlamentes saß auch damals schon Martin Häusling. Er kann sich noch gut an die Debatten der vergangenen Jahre erinnern. Die Diskussion war am gleichen Punkt wie heute. Für den gelernten Bio-Landwirt sind deshalb auch die Forderungen noch die gleichen wie damals. "Wir müssen als erstes eine Spekulations-Bremse einziehen, wenn wir merken, da wird offensichtlich darauf spekuliert, dass der Preis steigt. Da muss die Politik eingreifen können und den Preis müssen wir dämpfen."
Große Konzerne mit zu viel Macht

Doch das Problem reicht tiefer. Ein Grund für die Einladung zur Spekulation in Krisenzeiten liegt in der globalen Marktkonzentration: Fünf internationale Agrarkonzerne teilen sich untereinander drei Viertel des Welthandels an Agrarrohstoffen. Es sind die sogenannten ABCD-Konzerne: Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Zusammen mit dem chinesischen Agrargigant Cofco bilden sie die "Big Five", die Großen Fünf. Wie viele Millionen Tonnen Weizen in ihren Lagern wartet, ist Geschäftsgeheimnis. Zu einer Veröffentlichung sind sie nicht verpflichtet. Eine Einladung für Spekulanten.

"Ja, wir müssen uns überlegen, wie wir die Macht sozusagen von diesen großen Konzernen auch ein Stück weit eindämmen. Dass wir sehen, dass die nicht das ganze Geschäft übernehmen, sondern dass wir zum Beispiel auch dafür sorgen, größere Reserven in staatlicher Hand zu haben", sagt Martin Häusling.

Passiert nichts, dann bleibt der lebenswichtige Rohstoff Weizen Spekulationsobjekt und Druckmittel im politischen Poker: Nach dem Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine fiel der Weizenpreis. Doch in wenigen Tagen läuft das Abkommen aus. "Die Gefahr ist, wenn das Getreideabkommen nicht verlängert wird, dann stehen wir tatsächlich wieder vor der Frage: Wie kommt das ukrainische Getreide auf die Märkte? Und dazu haben wir noch das Problem, dass irgendeine Handelsroute geschlossen ist, die Spekulationen anfangen und der Getreidepreise durch die Decke geht", erklärt Häusling weiter.

Doch selbst wenn weiterhin ukrainische Weizenschiffe ablegen können, die nächste globale Krise wird kommen – ob Krieg, Naturkatastrophen, Epidemien – und mit ihr die Spekulation.

Autor:innen: Tatjana Mischke / Martin Herzog

Stand: 05.03.2023 19:12 Uhr

230213 action against NewGMO

13.02.2023 #global2000 #lebensmittelsicherheit
Über 420.000 Menschen fordern europaweit: Neue Gentechnik (NGT) in Lebensmitteln auch weiterhin regulieren und kennzeichnen. #ichooseGMOfree - Mit unserem Essen spielt man nicht!

Strenge Risikoprüfung und Kennzeichnung für #NeueGentechnik sichern! Volle Unterstützung für unsere Kolleg:innen, die in Brüssel die Petition, inkl. unserer #PickerlDrauf-Unterschriften, an die Europäische Kommission überreichen!

Eine breites Bündnis von mehr als 50 Organisationen aus 17 EU-Mitgliedstaaten hat eine Petition an die Europäische Kommission gerichtet, in der wir fordern, dass Neue Gentechnik-Pflanzen auch reguliert und gekennzeichnet bleiben.

Danke an alle, die sich hinter unsere Forderungen gestellt haben und sich für die Wahlfreiheit der Bäuerinnen und Bauern und Konsument:innen einsetzen!

Pressemitteilungen